Potenzial
In Potenzial begegnen wir einem scheinbar einfachen Motiv: Ein kleiner gelber Vogel sitzt auf dem Rand eines Flugzeugfensters. Doch dieses Bild entfaltet seine Kraft erst im Zusammenspiel mit dem weißen Rahmen, der wie eine zweite Ebene der Wirklichkeit wirkt.
Das Fenster, ein Übergang zwischen Innen und Außen, wird zum Symbol für den Moment, in dem wir ahnen, dass mehr möglich ist als das, was wir gerade leben. Der Vogel, zart und zugleich entschlossen, verkörpert dieses innere Ahnen: die leise Stimme des Mutes, die oft überhört wird.
Der obere weiße Bereich steht für das bereits genutzte Potenzial, jene Facetten unseres Wesens, die wir zeigen dürfen, weil sie akzeptiert, geübt, vertraut sind. Unten hingegen öffnet sich ein großes Feld unberührten Weiß: ein Raum der Möglichkeiten, gefüllt mit dem, was unsichtbar bleibt. Ängste, alte Verletzungen und übernommene Grenzen haben diesen Raum abgeschottet, sodass unser eigentliches Sein nur bruchstückhaft sichtbar wird.
Der Vogel am Fenster wird so zum Vermittler zwischen beiden Zonen. Er sitzt genau dort, wo das Sichtbare endet und das Ungenutzte beginnt. Er erinnert daran, dass Potenzial kein abstrakter Begriff ist, sondern eine Schwelle: ein Ruf nach innen.
Das Werk stellt damit nicht nur die Frage, was wir von uns zeigen, sondern auch, was wir verbergen und welchen Preis wir dafür zahlen. Potenzial lädt uns ein, in das unbemalte Weiß hinzuspüren und zu erkennen, dass die größte Freiheit oft dort wartet, wo wir uns bisher nicht hinzuschauen trauten.