Kaeptn Ahab
Schon die Farbe des Rahmens, ein sanftes Meergrün, weckt maritime Assoziationen. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppt sich dieses Idyll als brüchiges Konstrukt: Zahlreiche winzige Holzsplitter wurden abgebrochen und mühsam wieder angeklebt, als wollte man ein einst solides Deck notdürftig flicken. Ein stiller Hinweis auf die Besessenheit des Protagonisten: Wer nicht loslassen kann, wird zum Sklaven seiner eigenen Fixierung, ein Bild für Ahab und seine Jagd.
Im Zentrum des Bildes thront ein Papagei, die linke Seite seines Kopfes mit einer Piratenklappe verhüllt. Humorvoll und doch unheimlich: Ein gefiederter Kapitän, der nicht auf ein Schiff angewiesen ist, aber dessen blinder Fleck genauso tödlich sein kann wie die ehrgeizige Mastmansche Ahab. Die Klappe steht sinnbildlich für unsere blinden Flecken, jene psychologischen Areale, in denen wir unsere eigenen Ängste, Zwänge und Projektionen nicht wahrnehmen.
Hinter dem Vogel webt das Motiv einer fast ausgeblichenen Weltkarte: Kontinente und Linien sind nur in zarten Pastelltönen angedeutet. Ein subtiles Symbol für Reisen und Entdeckungen, doch auch dafür, dass Ahab, gefangen in seiner Obsession, die Welt um sich herum nur schemenhaft wahrnimmt.
Intelligent betrachtet zeigt sich hier eine Allegorie auf den menschlichen Verstand: Reich an Struktur und Erfahrung (das Muster der Weltkarte), doch stets bedroht vom Bruch, wenn wir an etwas festhalten, das längst zerstörerisch geworden ist.
Philosophisch gedacht erinnert uns der Papagei-Ahab daran, dass jede Klappe, jeder Versuch, Unangenehmes auszublenden, uns blind für neue Horizonte macht. Wir glauben, durch Verdrängung Kontrolle zu behalten, doch in Wahrheit verpassen wir den Kurs.
Psychologisch interpretiert ist die Rahmenschüchternheit (die abgebröckelten Holzsplitter) das Abbild einer Persönlichkeit, die sich permanent selbst repariert und dabei doch immer wieder dieselben Wunden schlägt. Ein Kreislauf, der uns in der Psychoanalyse nur allzu bekannt ist: das Nicht-Loslassen-Können.
Mit einem Augenzwinkern könnte man sagen: Wer so sehr sein inneres Moby Dick jagt, dass er zum Vogel wird, der braucht keinen Kapitän mehr, er wird selbst zum Gefangenen seiner See.
Und Sie?
Erkennen Sie schon Ihre eigenen Splitter am Rahmen?
Oder segeln Sie noch ohne Klappe durch Ihre blinden Flecken?